EU-Recht
Die Europäische Union (EU) ist seit dem BREXIT der Zusammenschluss von derzeit 27 europäischen Staaten zu einer Rechts-, Wirtschafts- und Wertegemeinschaft. Im Rahmen ihrer Aufgabenbereiche hat die EU auch Regelungen geschaffen, die die Einfuhr, Ausfuhr und Rückgabe von Kulturgut betreffen. Trotz des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union finden diese Bestimmungen mindestens bis zum 31. Dezember 2020 weiterhin auch auf und in Großbritannien Anwendung.
Eines der Hauptziele der EU ist die Einrichtung eines europäischen Binnenmarktes. Innerhalb des europäischen Binnenmarktes ist der freie Warenverkehr, der grundsätzlich auch Kulturgüter umfasst, gewährleistet. Zum Schutz ihres nationalen Kulturgutes dürfen die Mitgliedstaaten jedoch Aus- und Einfuhrbeschränkungen in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorsehen. In Artikel 36 Satz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union heißt es:
„Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 [Verbot von Ein- und Ausfuhrbeschränkungen] stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchführungsverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die […] zum Schutze […] des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert […] gerechtfertigt sind.“
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Auch die EU selbst hat Vorschriften zum Schutz von Kulturgut erlassen. Solche Rechtsakte der EU sind Verordnungen und Richtlinien. Eine Verordnung erzeugt unmittelbar Rechte und Pflichten für den Bürger, sie muss also nicht vom Staat in nationales Recht überführt werden. Hingegen bedarf die Richtlinie einer innerstaatlichen Umsetzung in das jeweilige nationale Recht.
Verordnungen zur Ein- und Ausfuhr von Kulturgut
Verschiedene Verordnungen regeln die Ein- und Ausfuhr von Kulturgut aus und in den Wirtschaftsraum der EU:
Die Verordnung (EG) Nr. 116/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern soll das unrechtmäßige Verbringen von Kulturgut aus dem Wirtschaftsraum der EU in Drittstaaten (Staaten, die nicht Mitglieder der EU sind) unterbinden.
Sie enthält Regelungen
- zum Anwendungsbereich der Verordnung
- zum Begriff des geschützten Kulturgutes
- zu Zuständigkeiten und Verfahren
Die Verordnung (EG) Nr. 1210/2003 (Auszug) des Rates vom 7. Juli 2003 ist Folge der Resolution Nr. 1483 (2003) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Die Verordnung soll verhindern, dass bestimmte irakische Kulturgüter in den Wirtschaftsraum der EU ein- oder ausgeführt beziehungsweise verbracht werden und mit ihnen gehandelt wird.
Sie enthält Regelungen
- zum Anwendungsbereich der Verordnung
- zum Umfang des Schutzes
Die Verordnung (EU) Nr. 1332/2013 (Auszug) des Rates vom 13. Dezember 2013 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien verbietet die Einfuhr, Ausfuhr, sowie Weitergabe von Kulturgütern, die zum kulturellen Eigentum Syriens gehören oder von archäologischer, historischer, kultureller, besonderer wissenschaftlicher oder von religiöser Bedeutung sind, sofern Grund zu der Annahme besteht, dass sie unter Verstoß gegen syrisches Recht oder Völkerrecht aus Syrien entfernt wurden. Dies dient insbesondere dem Schutz öffentlicher Sammlungen syrischer Museen, Archive oder Bibliotheken oder von religiösen Einrichtungen, da aufgrund der anhaltenden Bürgerkriegslage die Gefahr der Plünderung besonders hoch ist.
Die Verordnung (EU) 2019/880 (Auszug) des Rates vom 17. April 2019 über das Verbringen und die Einfuhr von Kulturgütern schützt Kulturgut aus Drittstaaten vor illegaler Verbringung in den Binnenmarkt und seiner dortigen Vermarktung. Sie gilt ausschließlich für Kulturgut, das seinen Ursprung außerhalb der EU hat. Kulturgüter, die illegal aus Herkunftsstaaten außerhalb der EU ausgeführt wurden, dürfen nicht in die EU gebracht werden. Weiterhin möglich ist dies für die (Wieder-)Einfuhr europäischer Kulturgüter.
Auch artenschutzrechtliche Bestimmungen können für die Ein- und Ausfuhr von Kulturgut Relevanz erlangen.
Richtlinie zur Rückgabe von Kulturgut der Mitgliedstaaten untereinander
Die Richtlinie 2014/60/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern (Kulturgüterrückgaberichtlinie) regelt die Rückgabeansprüche der Mitgliedstaaten untereinander und das Rückgabeverfahren. Mit der Aufhebung der nationalen Zollgrenzen bedurfte es europarechtlicher Bestimmungen in Ergänzung der nationalen Ausfuhrbestimmungen zum Schutz des Kulturgutes vor Abwanderung.
Diese Richtlinie wurde mit dem Kulturgutschutzgesetz (KGSG) umgesetzt. Es regelt die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ausgeführten und nach Deutschland verbrachten Kulturgütern und umgekehrt das Verfahren zur Geltendmachung des Rückgabeanspruchs Deutschlands gegen einen anderen Mitgliedstaat.
Zur Umsetzung der Kulturgüterrückgaberichtlinie enthält das KGSG unter anderem Regelungen
- zum Begriff des geschützten Kulturgutes
- zur Zuständigkeit für die Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Rückgabeanspruchs für nationales Kulturgut gegen einen anderen Mitgliedstaat
- zu den Voraussetzungen des Rückgabeanspruchs eines anderen Mitgliedstaates gegen die Bundesrepublik Deutschland
- zur Zuständigkeit und zum Verfahren der Rückgabe von Kulturgut
Nähere Informationen zum Thema Rückgabe - auch zu den Regelungen betreffend die Vertragsstaaten des UNESCO-Übereinkommens zum Kulturgutschutz von 1970 - erhalten Sie in der Rubrik Rückgabemechanismen.